Queer führen – Wie der Spagat zwischen Selbstbild, Sichtbarkeit und Systemdruck gelingt

27.06.2025

Queer sichtbar. Führend wirksam. Menschlich gefordert.

Führung ist anspruchsvoll. Queer zu sein auch. Und wer beides lebt, bewegt sich in einem Spannungsfeld, das kaum offen thematisiert wird: zwischen äußerer Professionalität und innerer Identität. Zwischen Sichtbarkeit und Schutzbedürfnis. Zwischen Rollenerwartungen und Selbstwahrnehmung.

Dieser Beitrag schaut auf die besonderen Herausforderungen queerer Führungskräfte und gibt Impulse, wie Selbstführung, Klarheit und Coaching helfen können, den eigenen Weg zwischen Anpassung und Authentizität zu gestalten.

1. Queer sein in der Führungsrolle: Zwischen Codes und Konflikten

Viele schwule oder queere Männer in Führungspositionen erleben zwei unterschiedliche Realitäten:

  • Fachlich anerkannt, aber menschlich vorsichtig: Die sexuelle Identität bleibt oft ein Tabuthema, besonders in konservativen Branchen oder Top-Management-Ebenen.
  • Ständiges Scannen: Was darf ich zeigen? Wo bin ich sicher? Wer ist vertrauenswürdig?

Diese dauerhafte Selbstkontrolle kostet extrem viel Energie und führt bei vielen zu einem inneren Spagat zwischen "funktionaler Führung" und "verdecktem Ich".

2. Der Druck der Zuschreibungen: Stark, aber nicht zu feminin. Offen, aber nicht privat.

Queere Führungskräfte sehen sich häufig mit zum Teil widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert:

  • Stark führen, aber keine "weiblich" codierten Eigenschaften zeigen.
  • Offen sein, aber nicht auffallen.
  • Diversity verkörpern, aber keine Sonderrolle beanspruchen.

Diese impliziten Erwartungen erzeugen einen subtilen Dauerdruck, der nicht selten zu einer starken emotionalen Erschöpfung führt.

3. Unsichtbare Arbeit: Die emotionale Zusatzlast queerer Sichtbarkeit

Viele LGBTQIA+-Personen leisten an ihrem Arbeitsplatz zusätzliche, ihre Arbeit eher am Rand betreffende Beziehungsarbeit:

  • Sie klären Irritationen.
  • Sie setzen Grenzen ohne zu verletzen.
  • Sie positionieren sich ohne angreifbar zu werden.

Das alles passiert neben der eigentlichen Führungsaufgabe. Und wird selten gesehen oder honoriert.

4. Typische Herausforderungen queerer Führungskräfte

a) Die Angst vor Zurückweisung

"Ich bin offen, aber nicht out im Unternehmen. Ich wähle jeden Satz mit Bedacht."

b) Der Mangel an Vorbildern

"Ich kenne kaum andere, die wie ich führen und offen queer sind."

c) Die Überanpassung

"Ich passe mich der Tonalität und den Codes so sehr an, dass ich mich selbst kaum noch spüre."

d) Die Unsichtbarkeit im System

"Ich werde als kompetent gesehen, aber meine Identität bleibt außen vor."

5. Was queer Führen braucht: Selbstkontakt vor Sichtbarkeit

Bevor es um Coming-Out oder Corporate Statements geht, braucht es zunächst die Klärung einer wichtigen inneren Frage:

"Wer bin ich als führende Person – und wie möchte ich gesehen werden?"

Die folgenden Aspekte helfen, diesen Prozess bewusst zu gestalten:

a) Selbstführung:

Kennen Sie Ihre Bedürfnisse, Grenzen, Reizpunkte? Coaching kann helfen, innere Klarheit zu gewinnen und zwischen echten Werten und äußeren Erwartungen zu unterscheiden.

b) Rollen- und Identitätsarbeit:

Nicht jede Rolle muss alle Facetten enthalten. Aber wer bewusst entscheidet, wann und wie er sich zeigt, führt stärker. Das bedeutet auch: Sie dürfen sich selektiv zeigen, ohne sich zu verstecken.

c) Allianzbildung:

Suchen Sie Kontakte, Netzwerke oder Sparringspartner, bei denen Sie nicht erklären müssen, sondern einfach sein dürfen. Resonanz stärkt Resilienz.

d) Klare Kommunikation:

Worte schaffen Realität. Wer lernt, authentisch und zugleich professionell über sich zu sprechen, schafft Orientierung, für andere und für sich selbst.

6. Führung braucht Haltung. Und Queerness auch.

Gute Führung bedeutet nicht, alles von sich zu zeigen. Aber sie lebt davon, dass Menschen spürbar sind. Queere Identität kann hier eine besondere Ressource sein:

  • Empathie aus Erfahrung
  • Perspektivwechsel durch Anderssein
  • Klarheit durch Selbstreflexion

Wer gelernt hat, sich im Widerspruch zu positionieren, bringt oft mehr innere Stabilität mit als viele andere. Coaching kann helfen, diese Ressource freizulegen und nutzbar zu machen.

7. Drei Fragen, die helfen, sich als queere Führungskraft zu sortieren

  1. In welchen Situationen verstumme ich und warum?
  2. Wo führe ich aus mir heraus, und wo aus Erwartung?
  3. Was brauche ich, um ganz zu sein, ohne mich zu erklären?

Diese Fragen bringen Klarheit, nicht in erster Linie als Ziel, sondern vielmehr als Startpunkt für einen neuen Umgang mit sich und der Rolle.

8. Fazit: Queer führen heißt mehr sein dürfen und nicht mehr leisten müssen.

Führung ist kein Entweder-oder, sie lebt von bewusster Haltung, von Respekt, von innerer Klarheit. Wer queer führt, hat eine besondere Verantwortung, nicht zu repräsentieren, sondern sich selbst zu achten.

Wenn Sie sich darin wiedererkennen und das Gefühl haben, mehr bei sich selbst ankommen zu wollen: Dann begleite ich Sie gerne. Klar, vertraulich und mit echtem Verständnis für Ihre Realität.


Christian Schultze
Berater & Coach mit Schwerpunkt Lösungsorientiertes Online-Kurzzeitcoaching für Führungskräfte
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