"Ich muss erst alles andere regeln" – Der häufigste Fehler bei persönlicher Weiterentwicklung

"Ich will mich wirklich weiterentwickeln, aber gerade ist einfach so viel los."
Diesen Satz höre ich als Coach sehr oft und er ist verständlich. Es gibt Rechnungen zu bezahlen, Projekte zu beenden, Mitarbeiter zu führen und Kunden zu betreuen. Der Alltag von Selbstständigen und Führungskräften ist oft ein Drahtseilakt zwischen To-dos, Verantwortung und dem Wunsch, irgendwie auch noch ein Privatleben unterzubringen.
Aber genau hier liegt der Denkfehler. Die Annahme, dass mentale Gesundheit warten kann, dass man sie irgendwann nachholt, wenn es ruhiger wird oder dass persönliche Weiterentwicklung ein Bonus ist und nicht die Basis, ist falsch und kann verheerende Folgen haben.
In diesem Beitrag erfährst du, warum dieser Gedanke so verbreitet und gleichzeitig so gefährlich ist. Und ich zeige dir, was du tun kannst, um aus diesem Muster auszubrechen, ohne dein gesamtes Leben umzukrempeln.
Der Mythos vom "richtigen Zeitpunkt"
Wir alle haben ihn schon gedacht oder ausgesprochen: "Jetzt ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt." Die Wahrheit ist aber, dass der richtige Zeitpunkt nicht kommen wird. Es wird nicht plötzlich eine Woche geben, in der dein Kalender leer ist, dein Stresslevel auf null gesunken und dein Kopf komplett frei ist.
Der Gedanke an einen idealen Startpunkt ist eine Illusion. Sie hält uns davon ab, genau jetzt anzufangen. Vor allem aber fördert sie das Gefühl, dass persönliche Entwicklung ein Luxus ist, obwohl sie in Wahrheit ein Notwendigkeit ist.
Warum wir mentale Gesundheit hinten anstellen
Aus welchen Gründen hat die eigene mentale Gesundheit für so viele keine Priorität? Dafür gibt es drei zentrale Gründe:
1. Mentale Themen sind unsichtbar. Körperliche Verletzungen sehen wir sofort. Mentale Erschöpfung dagegen lässt sich leicht verdrängen, zumindest eine Zeit lang. Wir funktionieren weiter, obwohl wir innerlich längst müde sind. Und weil man es nicht sieht, glauben wir, es sei nicht so schlimm.
2. Persönliche Weiterentwicklung ist nicht messbar. Leads, Umsatz, Projekte, Kundenzufriedenheit, all das lässt sich beziffern. Innere Klarheit, emotionale Resilienz oder eine gestärkte Identität lassen sich nicht so einfach in Zahlen fassen. Also priorisieren wir das, was sichtbar und greifbar ist. Und verschieben das, was wirklich trägt.
3. Wir haben gelernt, uns selbst zuletzt zu stellen. Gerade Selbstständige und Führungskräfte sind oft in der Rolle der Problemlöser:innen. Für alle anderen da sein, alles regeln, alles im Blick haben, wird zum Selbstverständnis. Die eigene Entwicklung fällt dann unter "nice to have" und landet ganz unten auf der Liste.
Was wirklich passiert, wenn du dich selbst aufschiebst
Du wirst nicht stabiler, du wirst nicht klarer und du wirst nicht entspannter, nur weil du dich hintenanstellst. Das Gegenteil ist der Fall. Die innere Spannung wächst, der Energieverlust wird spürbarer und irgendwann kommt der Punkt, an dem du dich nicht mehr nur "ein bisschen erschöpft" fühlst, sondern vollkommen leer, ausgebrannt wie eine Kerze im Dauerbetrieb.
Ich habe mit Menschen gearbeitet, die diesen Punkt erreicht hatten. Äußerlich erfolgreich, innerlich ausgebrannt. Sie hatten alles geregelt, nur sich selbst nicht. Dann standen sie plötzlich plötzlich an einem Punkt, an dem selbst kleinste Aufgaben wie unüberwindbare Berge wirkten.
Persönliche Entwicklung ist kein Luxus – sie ist dein Fundament
Der größte Irrtum liegt in der Annahme, dass es egoistisch sei, sich selbst an erste Stelle zu setzen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Wer gut für sich sorgt, kann auch besser für andere da sein. Wer innerlich klar ist, trifft bessere Entscheidungen. Wer emotional stabil ist, geht auch mit Verantwortung nachhaltiger um.
Wenn du dir Zeit für dich nimmst, sei es durch Coaching, Reflexion, Therapie oder bewusste Pausen, investierst du in dein Fundament. Und alles, was du darauf aufbaust, wird stabiler. Deine Beziehungen. Dein Business. Deine Lebensqualität.
Wie du den Wandel beginnst – ohne dein Leben umzukrempeln
Oft glauben Menschen, dass sie ihr ganzes Leben umstrukturieren müssen, um mit persönlicher Entwicklung zu starten. Aber das stimmt nicht. Veränderung beginnt nicht mit radikalen Schritten – sondern mit kleinen, bewussten Entscheidungen:
- Starte mit einem Gespräch: Manchmal reicht ein erstes Coaching-Gespräch, um Klarheit zu schaffen, wo du stehst und was du brauchst.
- Plane 1 % für dich: Wenn du 1 % deiner Zeit pro Woche in dich selbst investierst, ist das oft mehr, als du bisher getan hast.
- Frag dich regelmäßig: "Was brauche ich gerade wirklich?" Nicht: "Was steht an.", sondern: "Was nährt mich?"
Ein Perspektivwechsel, der alles verändert
Stell dir vor, du würdest dich selbst nicht mehr als "Baustelle" sehen, die irgendwann mal in Angriff genommen werden muss, sondern als wichtigsten Ort deines Lebens. Stell dir vor, du würdest nicht warten, bis etwas kaputt geht, sondern rechtzeitig pflegen, was dich ausmacht. Dein Denken. Dein Fühlen. Deine Energie.
Das ist kein Luxus. Das ist verantwortungsvoll. Und es ist mutig. Weil es bedeutet, die Kontrolle dort zu übernehmen, wo sie wirklich wirkt: bei dir selbst.
Fazit: Du bist kein Projekt – du bist der Kern
Wenn du spürst, dass du immer wieder sagst: "Ich muss erst alles andere regeln", dann halte inne, hinterfrage diesen Satz und erkenne, dass du dich selbst damit auf morgen verschiebst. Und frage dich: Was, wenn ich heute beginne?
Denn du musst nicht alles geregelt haben, um dich selbst zu entwickeln. Du darfst dich mitten im Chaos, im Alltag, im ganz normalen Leben für dich entscheiden. Und genau darin liegt deine größte Kraft: Dich nicht aufzuschieben.
Denn du bist kein Projekt, das irgendwann mal fertig wird. Du bist der Kern, von dem alles ausgeht. Und genau deshalb beginnt echte Veränderung nicht bei den Aufgaben, sondern bei dir.