Gelassen reagieren statt überreagieren: Dein Training für mehr emotionale Balance in Stresssituationen

Kennst du das? Du willst ruhig bleiben, sachlich reagieren und die Kontrolle behalten. Und dann kommt wieder dieser eine Moment: Ein blöder Kommentar im Meeting, ein genervter Blick vom Chef oder der berühmte Tropfen zu viel im Familienalltag, und zack, du explodierst. Oder ziehst dich still verletzt zurück. Beides ist menschlich, bringt dich aber leider nicht weiter. Emotionale Balance wird oft als Esoterik-Schnickschnack abgetan, ist aber sehr viel mehr. Sie ist dein entscheidender "Wettbewerbsvorteil", beruflich wie privat. Und das Beste daran ist: Du kannst sie trainieren. Ich zeige dir in diesem Beitrag, wie das funktioniert.
1. Warum wir (immer wieder) überreagieren
Du bist kein Roboter, sondern ein Mensch, und das ist gut so. Leiden laufen deine Emotionen oft schneller als dein Verstand. Biologisch gesehen verdanken wir das dem limbischen System. Es scannt jede Situation in Millisekunden auf Bedrohung.
Blöd nur, dass der erhobene Zeigefinger deines Vorgesetzten nicht lebensbedrohlich ist. Aber dein Nervensystem reagiert trotzdem wie auf einen Tigerangriff: Kampf, Flucht oder Erstarrung.
Provokant gesagt:
Deine Überreaktion ist keine Schwäche, sie ist schlicht und einfach eine angeborene und von uns Menschen nie abgelegte Schutzfunktion. Leider ist sie im modernen Berufsleben oft unpraktisch.
2. Gelassenheit ist kein Talent, sondern ein Training
Viele glauben, manche Menschen seien eben von Natur aus ruhig. Alles Unsinn. Was ruhig wirkt, ist oft jahrelang trainierte Selbststeuerung. Die gute Nachricht, die sich aus dieser Tatsache ergibt, lautet: Auch du kannst das lernen. Das braucht allerdings viel Übung, regelmäßiges Training und den Willen, ehrlich hinzuschauen.
Erste Schritte zur inneren Stabilität:
- Trigger erkennen: Wann gehst du innerlich an die Decke? Wer oder was bringt dich aus dem Gleichgewicht?
- Körper beobachten: Was passiert in dir, bevor du laut wirst oder dich zurückziehst? Herzklopfen? Enge im Hals? Hitzewallung?
- Stopp einbauen: Nimm dir in kritischen Situationen 10 Sekunden, bevor du reagierst. Atmen. Denken. Erst dann sprechen oder handeln.
3. Die drei größten Denkfallen, die Gelassenheit verhindern
Wenn du dich emotional im Kreis drehst, liegt das oft an unbewussten Denkmustern. Hier drei Klassiker:
- "Ich darf mir das nicht gefallen lassen!"
Klingt nach gesunder Selbstbehauptung, ist aber oft ein Ego-Reflex. Frag dich lieber: Was will ich wirklich erreichen, und wie komme ich dahin? - "Immer passiert mir sowas!"
Dieser Gedanke macht dich zum Opfer. Besser ist es, wenn du das Muster erkennst, Verantwortung übernimmst und eine neue Reaktion wählst. - "Die anderen müssen sich ändern!"
Schön wär's, ist aber unrealistisch. Du kannst nicht kontrollieren, wie andere sich verhalten. Nur, wie du damit umgehst.
4. Emotionale Balance im Alltag trainieren: 5 wirksame Übungen
Übung 1: Der Atem als Anker
Setz dich drei Minuten pro Tag ruhig hin und beobachte deinen Atem. Wenn Gedanken kommen: registrieren, loslassen, zum Atem zurückkehren. Klingt simpel, ist aber hochwirksam.
Übung 2: Der bewusste Reiz-Reaktions-Abstand
Trainiere im Alltag, auf kleine Reize nicht sofort zu reagieren. Ein Beispiel: Jemand drängelt im Supermarkt. Statt genervt zu schauen, lächle oder tu einfach nichts.
Übung 3: Gefühle benennen
Statt "Ich bin sauer" sag: "Ich spüre gerade Wut, weil...". Das schafft Abstand zwischen dir und dem Gefühl.
Übung 4: Erfolgsjournal führen
Schreib jeden Abend 3 Situationen auf, in denen du gelassen geblieben bist. Notiere dir auch kleine Dinge. Das trainiert deine Wahrnehmung für Fortschritte.
Übung 5: Worst-Case-Befreiung
Frag dich in heiklen Situationen: Was ist das Schlimmste, das wirklich passieren kann? Oft ist die Antwort: Nichts Dramatisches. Allein das holt dich runter.
5. Coaching als Booster für deine Selbststeuerung
Du willst tiefer einsteigen? Alte Reaktionsmuster verstehen und auflösen? Dann ist Coaching der Turbo für dein Gelassenheitstraining. Gemeinsam analysieren wir deine Stressmuster, erarbeiten neue Strategien und trainieren konkrete Tools für den Alltag. Hier drei Ideen für solche Tools:
1. Das STOPP-Schema
Das ist ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Tool, das dir hilft, impulsive Reaktionen zu unterbrechen:
S – Stopp! (innerlich "Stopp" sagen, kurz innehalten)
T – Tief durchatmen
O – Orientieren (Was passiert gerade objektiv?)
P – Perspektive wählen (Welche Reaktion bringt mich weiter?)
P – Positiv handeln (bewusste, konstruktive Handlung wählen)
👉 Ideal in Konfliktsituationen, um wieder handlungsfähig statt reaktiv zu sein.
2. Emotionstagebuch
Ein einfaches, aber effektives Selbstreflexionstool. Ziel: Muster erkennen und bewusst verändern. Hier einige Fragen die du dir (täglich oder wöchentlich) stellen kannst:
- Was hat mich heute emotional stark bewegt?
- Wie habe ich reagiert?
- Wie hätte ich alternativ reagieren können?
- Was brauche ich, um beim nächsten Mal ruhiger zu bleiben?
👉 Fördert Selbstbeobachtung, Achtsamkeit und Handlungsspielraum.
3. Reframing-Karten
Ein Coaching-Tool zur Veränderung negativer Denkmuster. Hier ein Beispiel, das zeigt, wie es funktioniert:
Gedanke: "Ich werde nicht ernst genommen."
Reframe: "Ich kann klären, was ich brauche, um gehört zu werden."
Kleiner Tipp: Mit vorbereiteten Karten oder einem kleinen Workbook lässt sich das sehr gut im Selbstcoaching anwenden.
👉 Macht aus automatischen Gedanken bewusste, stärkende Haltungen.
Denn das Ziel ist nicht, nie mehr zu fühlen. Sondern zu entscheiden, wie du mit deinen Gefühlen umgehen willst.
Wenn du magst, schreib mir für ein unverbindliches Erstgespräch. Ich begleite Berufstätige 50+ durch emotionale Herausforderungen im Alltag und Beruf.
6. Fazit: Gelassenheit ist kein Zufall. Sie ist deine Entscheidung.
Ob Meeting, Partnerschaft oder Alltag, du kannst lernen, anders zu reagieren. Souveräner, klarer und vor allem mit mehr innerer Freiheit. Nicht überreagieren heißt nicht, alles zu schlucken. Es heißt vielmehr, klüger zu wählen, wie du dich zeigst. Schluss mit den Ausreden. Fang an, zu trainieren, deine Gelassenheit wartet auf dich.
Autor: Christian Schultze
Lebensberater, Coach & Sparringspartner für Menschen in Umbruch- und Stressphasen ab 50